Wer schon einmal ehrfürchtig staunend in einer großen gotischen Kathedrale gestanden hat, dem mag es befremdlich erscheinen, dass der Begriff gotisch ursprünglich ganz und gar abwertend gemeint war: Er begegnet uns als arte gotico bei Giorgio Vasari im 16. Jahrhundert zum ersten Mal und ist dessen Versuch, die gotische Kunst als veraltet, ja gar als barbarisch abzuqualifizieren, verband man doch den Untergang Roms und seiner Kultur insbesondere mit den verschiedenen Stämmen der Goten und deren Eingriffen in den Lauf der Geschichte. Verschiedenen Eingriffen unterworfen wurden leider auch viele der heute noch existierenden gotischen Kathedralen selbst, sei es durch kriegerische Ereignisse, Unfälle oder mutwillige Zerstörungen, nicht zuletzt auch durch "modernisierende" Umbauten. Um eine Ahnung von der Komplexität und geradezu atemberaubenden gedanklichen wie bildlichen Dichte eines derartigen Bauwerkes zu bekommen, wollen wir uns an diesem Abend insbesondere um die Kathedrale von Chartres kümmern, in diesem Gesamtkunstwerk "blättern" und lesen wie in einem kostbaren alten Buch. Schade nur, dass Vasari wohl nicht dabei sein wird!